20 Jahre Schuldnerberatung Stuttgart
Von den Anfängen bis zur Gegenwart
Zentrale Schuldnerberatung Stuttgart besteht seit 20 Jahren
Stuttgart. Die Zentrale Schuldnerberatung (ZSB) besteht seit nunmehr zwanzig Jahren. Am 1. Oktober hat im Marienheim das Jubiläumsfest stattgefunden. Martin Tertelmann, der Präventions- beauftragte der ZSB, führte durch das zweistündige Programm und befragte verschiedene Gesprächspartner zu Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Beratungsstelle. Die ZSBand, bestehend aus drei Mitarbeitenden der ZSB, sorgte mit jazzigen Klängen für Auflockerung.
In Stuttgart leben rund 40.000 überschuldungsgefährdete Menschen. Etwas mehr als 2.000 von ihnen nehmen pro Jahr Kontakt zur Schuldnerberatung auf; etwa 1.000 Schuldner werden jährlich von der ZSB weiterführend beraten und betreut, circa 600 stehen auf der Warteliste. Viel Arbeit, die 14 haupt- und 16 ehrenamtliche Mitarbeitende leisten.
Fakten von überschuldeten Menschen zu hören, das ist das eine. Davon kann man sich distanzieren, gegebenenfalls den Kopf schütteln über die Gründe. Die Schuldner-Monologe bei der Jubiläumsfeier zeigten die andere Seite. "Am liebsten würde ich mir die Decke über den Kopf ziehen, mich ganz still machen. Aber das geht nicht. Wegen Paula, wissen Sie." So beginnt einer von zwei dieser Monologe, die von der Schauspielerin Berit Fromme vorgetragen wurden. Die Monologe vermitteln Gefühle, bringen den Zuhörern die Menschen hinter den Schulden ganz nah. Sie lassen nachvollziehen, wie schnell die Schuldenfalle sich auftut, wie wenig gefeit man davor ist. Unabhängig von Bildungsstand und sozialer Schicht. Die Mutter der siebenjährigen Paula ist studierte Musiklehrerin - und bezahlt noch heute im wahrsten Sinne des Wortes für eine einzige falsche Entscheidung. Sie hatte mit ihrem Mann einen gemeinsamen Kredit aufgenommen. Mittlerweile ist ihr Mann ausgezogen. Vater und Freund ist er nach wie vor, doch um die Zahlungsmoral des freischaffenden Musikers ist es schlecht bestellt.
Überschuldung kann jeden treffen
Der Monolog zeigte einen der Hauptgründe für eine Verschuldung: Trennung/Scheidung. Weitere wesentliche Gründe sind Arbeitslosigkeit, gescheiterte Selbständigkeit und Erkrankungen/Unfälle. Vor zwanzig Jahren gehörte die Klientel der Schuldnerberatung noch fast ausschließlich zur "Unterschicht", so Wolfgang Schrankenmüller, Leiter der ZSB Stuttgart. Heute kann es jeden treffen. In Zeiten von Hartz IV geht der finanzielle Abstieg sehr schnell vonstatten.
Nicht nur die Zusammensetzung der Überschuldeten hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren geändert. Auch die Schuldnerberatung hat sich weiterentwickelt. Ganz wie beim Schuldnerberater Peter Zwegat von RTL läuft es in der Praxis allerdings nicht ab. "Die normale Beratungsarbeit ist weniger spektakulär, denn die Banken haben bestimmte Vorgaben, wenn sie unseren Angeboten zustimmen", so Frank Porrmann, Berater an der ZSB.
Früher standen sich Schuldnerberater und Banker nahezu im Streit gegenüber. Bis Heinz Metzger, ehemaliger Vorsitzender der Volksbank Stuttgart, auf einer Tagung 1996 gemerkt hat, dass die Berater der ZSB "ja ganz ordentliche Leute sind" und erkannte, dass beide Institutionen sich im Prinzip mit der selben Klientel beschäftigen. Ein Verständnis für die Arbeit des anderen sei unerlässlich, um die beste Lösung für den Klienten zu finden, erklärte Metzger bei der Feier. In den folgenden Jahren hat die ZSB daher auch die zuständigen Mitarbeitenden der Banken in Hinblick auf überschuldete Kunden beraten. Im Gegenzug finanzierten die Stuttgarter Volksbanken und die damalige Landesgirokasse (heute BW-Bank) für drei Jahre drei Beratungsfachkräfte.
Kinder gezielt als Käuferschicht angepeilt
Besonders wichtig sind der ZSB die jungen Menschen. Seit 2005 die neuen Sozialgesetze eingeführt wurden, arbeitet sie mit dem JobCenter Stuttgart zusammen. Dort wurde das JobCenter U 25 eingerichtet, eine spezielle Dienststelle für junge Menschen bis zu 25 Jahren. Einmal in der Woche ist die Schuldnerberaterin Uta Karle im Wechsel mit einer Kollegin direkt vor Ort und die Mitarbeitenden von U 25 begleiten die Betroffenen unmittelbar ins dortige Beratungszimmer.
Junge Erwachsene geraten deshalb so oft in die Schuldenfalle, weil sie nicht gelernt haben, mit Geld umzugehen. Hinzu kommt, dass sie leicht beeinflussbar sind, sei es durch die Werbung oder durch die Clique. Die ZSB betreibt daher intensive Präventionsarbeit, trotz des knappen Budgets von ca. 15.000 Euro jährlich. Die von Schulklassen und Jugendgruppen gestaltete und im Stuttgarter Rathaus gezeigte Ausstellung "Schuldenfrei.Zukunft frei!", wurde sogar mit Preisen ausgezeichnet. Das Theaterstück "Was heißt'n hier Geld?" des Stuttgarter Schauspielers und Autors Jo Jung konnte mit Unterstützung der ZSB in einigen Stuttgarter Grundschulen aufgeführt werden. Aus gutem Grund: Auch Kinder werden von der Wirtschaft gezielt als Käuferschicht angepeilt, das zeigen die vielen speziellen Werbeblocks im Kinderfernsehen. "Es ist besser, vorher zu sparen als hinterher", erklärte Uwe Hopf von der ZSB.
Die Finanzierung der ZSB steht bis Ende des Jahres 2009, dann läuft der Kooperationsvertrag der Träger mit der Landeshauptstadt Stuttgart aus. "Wie es dann weitergeht, wird man sehen. An Schuldnern wird es künftig jedenfalls nicht mangeln", sagte Heinz Gerstlauer, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Gesellschaft (eva). Alle drei Träger, eva, Caritasverband und PräventSozial, würden die Zusammenarbeit künftig gerne fortsetzen. Ulrike Herbold, Pressesprecherin Evangelische Gesellschaft Stuttgart