Beratung > Schuldnerinfos kompakt > Verbraucherinsolvenzverfahren

Verbraucherinsolvenzverfahren


„Drei kleine Kinder, Scheidung und 60.000 Euro Schulden - das schaffe ich nie. Muss ich etwa bis ans Lebensende meine Schulden bezahlen?"

Nein. Diese Befürchtung einer Überschuldeten war bis zur Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens im Jahr 1999 allerdings bittere Realität. Durch die Ende 2020 beschlossenen Neuregelungen im Insolvenzrecht hat sich die Situation überschuldeter Menschen in Deutschland nochmals deutlich verbessert.
Die Restschuldbefreiung wird nun bereits nach drei Jahren erteilt, unabhängig davon, ob für betroffene Personen das Verbraucherinsolvenzverfahren oder das Regelinsolvenzverfahren (siehe Punkt 4 "Wichtige Regelungen") infrage kommt. Dies gilt für alle Insolvenzanträge, die seit dem 1. Oktober 2020 gestellt wurden. Bei Anträgen, die vorher gestellt wurden, gelten die bisherigen Regelungen (siehe Punkt 5).

Dieses gesetzlich geregelte Verfahren bietet die Chance für einen wirtschaftlichen Neuanfang und gibt Hoffnung auf ein weiteres Leben ohne Schulden. Das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet drei verschiedene, aufeinander aufbauende Wege, die aus der Überschuldung zur Restschuldbefreiung führen.

1. Außergerichtliche Einigung


Schuldenbefreiung kann auch ohne ein gerichtliches Verfahren erreicht werden. Sie können Ihren Gläubigern vorschlagen, wie Sie sich die Bereinigung Ihrer Schulden vorstellen. Vorausgesetzt, alle Gläubiger stimmen Ihrem Plan zu und Sie halten die Vereinbarungen ein, sind Sie mit Einverständnis der Gläubiger ihre restlichen Schulden los.

Wenn dies nicht gelingt, benötigen Sie eine Bescheinigung von einer sogenannten geeigneten Person oder Stelle, dass die außergerichtliche Einigung gescheitert ist. Darin sind die wesentlichen Gründe des Scheiterns anzugeben und der gescheiterte Plan ist beizufügen. "Geeignete Personen" sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare. "Geeignete Stellen" sind Schuldnerberatungsstellen, die nach den Ausführungsgesetzen der Bundesländer anerkannt sind.

Es empfiehlt sich, einen außergerichtlichen Einigungsversuch bereits mit Unterstützung einer geeigneten Person oder Stelle durchzuführen. Nutzen sie das vorhandene Fachwissen, wie ein Schuldenbereinigungsplan aussehen sollte, damit auf diesem Plan im Falle des Scheiterns weiter aufgebaut werden kann. Wenn ein Einigungsversuch nicht in Zusammenarbeit mit einer geeigneten Person oder Stelle durchgeführt wurde, wird man Ihnen in der Regel dort keine Bescheinigung über das Scheitern des Einigungsversuches ausstellen.

zur Auswahl

2. Schuldenbereinigungsplan


Ist die außergerichtliche Einigung gescheitert, können Sie beim zuständigen Insolvenzgericht das Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen. Bevor jedoch das gerichtliche Insolvenzverfahren er­öffnet wird, kann das Gericht einen zweiten Ver­such einer einvernehmlichen Schuldenbereinigung unternehmen. Ihr Vorteil ist, dass jetzt nicht mehr alle, sondern nur noch die Mehrheit der Gläubiger zustimmen muss. Das Ge­richt kann dann unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung der Gläubiger, die Ihren Plan ablehnen, durch eine richterliche Zustimmung ersetzen. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist, dass alle Gläubiger im Plan gleich behandelt werden, also diesen zum Beispiel dieselbe Vergleichsquote angeboten wird.

Wird der Plan angenommen, erübrigt sich das weitere Verfahren. Wenn Sie dann die vereinbarten Zahlungen leisten, werden Ihre verbleibenden Schulden erlassen. Hat der Plan dagegen keine Aussichten, von den Gläubigern angenommen zu werden, entscheidet das Insolvenzgericht, dass das Verfahren über den Schuldenbereinigungsplan nicht stattfindet.

Für das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren muss bereits ein vollständig ausgefüllter Insolvenzantrag eingreicht werden. Die bundesweit einheitlichen Antragsformulare erhalten Sie bei den Insolvenzgerichten. Für nicht mit dem Thema vertraute Personen sind diese Formulare nicht immer leicht verständlich. Daher empfiehlt es sich auch hier, diesen Schritt mit einer geeigneten Person oder Stelle anzugehen.

zur Auswahl

3. Restschuldbefreiung


Ist eine gütliche Einigung mit den Gläubigern nicht möglich oder war der Schuldenbereinigungsplan von vornherein nicht erfolgversprechend, prüft das Insolvenzgericht, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens vorliegen. Eine Voraussetzung ist die bestehende oder drohende Zahlungsunfähigkeit. Außerdem müssen die Kosten des Verfahrens gedeckt sein oder es muss ein Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten gestellt werden.

Ist das Verfahren eröffnet, wird vom Gericht ein Insolvenzverwalter bestellt, der - soweit vorhanden - Ihr pfändbares Sach- und Geldvermögen verwertet. Die Gläubiger müssen ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden. Das Gericht prüft anschließend, ob von den Gläubigern berechtigte Gründe vorgebracht werden, die eine Schuldenbefreiung nicht zulassen. Denn, wer zum Beispiel

  • in den letzten drei Jahren absichtlich falsche Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, unangemessene Verbindlichkeiten eingegangen ist oder sein Vermögen verschwendet hat,
  • in den letzten fünf Jahren wegen Insolvenzbetrug oder Gläubigerbegünstigung strafrechtlich verurteilt wurde,


kann keine Restschuldbefreiung erlangen.

Wenn keine Versagensgründe festgestellt werden, müssen Sie sich – um Restschuldbefreiung zu erlangen – für die Dauer von drei Jahren Ihren Gläubigern gegenüber "wohlverhalten", d. h. Sie müssen bestimmte Obliegenheiten erfüllen, insbesondere

  • eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben und jede zumutbare Arbeit annehmen
  • jeden Wohnungs- und Arbeitsplatzwechsel anzeigen
  • ererbtes Vermögen oder eine Schenkung zur Hälfte herausgeben
  • Gewinne aus einer Lotterie oder Gewinnspiel in voller Höhe herausgeben (Gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert sind hiervon ausgenommen. Im Zweifelsfall entscheidet auf Ihren Antrag das Insolvenzgericht.)


Deshalb nennt man diesen Abschnitt die Wohlverhaltensperiode.
Ihr Arbeitgeber muss die pfändbaren Beträge Ihres Einkommens an einen vom Gericht bestellten Treuhänder abführen. Dies ist normalerweise diesselbe Person, die am Beginn des Verfahrens zum Insolvenzverwalter bestimmt wird. Halten Sie diese Verpflichtungen ein, erteilt Ihnen das Insolvenzgericht nach Ablauf von drei Jahren die Restschuldbefreiung. Die Dauer des gerichtlichen Insolvenzverfahrens (ca. sechs bis zwölf Monate) wird auf die Gesamtdauer von drei Jahren angerechnet.
Anders gesagt: Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode dauern zusammen maximal drei Jahre.

zur Auswahl

4. Wichtige Regelungen


  • Wenn Sie die Kosten des Verfahrens von mindestens 2.000 Euro nicht selbst aufbringen können, werden sie Ihnen auf Antrag bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet. Während des gesamten Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens müssen Ihre Gläubiger solange auf Ihre pfändbaren Beträge verzichten, bis die gestundeten Verfahrenskosten getilgt sind. Danach müssen Sie den verbleibenden Betrag innerhalb von weiteren vier Jahren in Raten zurückzahlen, soweit es Ihre Einkommenssituation erlaubt.
    Es gelten die Regelungen und Einkommensgrenzen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
  • Auch wenn Sie Ihren Gläubigern nichts anzubieten haben, können Sie – wenn Sie die Obliegenheiten einhalten – nach drei Jahren Schuldenbefreiung erhalten, denn es werden keine Mindestzahlungen verlangt.
  • Ehemalige Selbständige und Gewerbetreibende können nur dann ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen, wenn sie weniger als zwanzig Gläubiger haben und wenn keine Verbindlichkeiten aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern bestehen. Alle anderen ehemals und alle aktiv wirtschaftlich Selbständigen müssen das Regelinsolvenzverfahren beantragen. Der bei Verbraucherinsolvenzverfahren zwingend notwendige vorherige Einigungsversuch mit den Gläubigern kann in diesem Verfahren entfallen. Auch hier werden die Kosten gestundet und es kann nach drei Jahren Restschuldbefreiung erreicht werden.
  • Nur wenige Forderungen sind von der Schuldenbefreiung ausgenommen: Geldstrafen, Bußgelder und Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen; Unterhaltsrückstände, nur bei vorsätzlicher Unterhaltpflichtverletzung oder wenn der Unterhalt vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt wurde; Steuerschulden, sofern der Schuldner wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt wurde.
  • Ausgenommene Forderungen müssen die Gläubiger im Insolvenzverfahren gesondert anmelden. Sie können dem widersprechen.
  • Von Ihrem Verbraucherinsolvenzverfahren können Dritte Kenntnis erhalten. Ihr Name und Ihre Adresse werden vom Insolvenzgericht im Internet bekannt gegeben. Ihr Arbeitgeber und Ihr Vermieter erfahren über den Insolvenzverwalter davon.
  • Die Schuldenbefreiung gilt nicht automatisch auch für Mitverpflichtete und Bürgen. Diese müssen ein eigenes Verfahren beantragen. Ihr Vorteil: Nach der gerichtlichen Restschuldbefreiung sind Sie Mitverpflichteten gegenüber nicht mehr regresspflichtig.
  • Während des Verbraucherinsolvenzverfahrens müssen Sie auf die pfändbaren Beträge Ihres Einkommens verzichten (siehe Info "Lohnpfändung/ Lohnabtretung"). Der notwendige Lebensunterhalt muss Ihnen auf jeden Fall verbleiben.
  • Bei Unterhaltspflichten gilt, dass Sie die laufenden Zahlungen aufbringen müssen. Rückständige Beträge werden mit der Restschuldbefreiung nach sechs Jahren erlassen, außer Sie haben Ihre Unterhaltspflichten vorsätzlich verletzt.
  • Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist unzulässig, wenn Ihnen in den letzten zehn Jahren schon einmal Restschuldbefreiung erteilt oder in den letzten fünf Jahren wegen Verurteilung aufgrund einer Insolvenzstraftat versagt wurde oder in den letzten drei Jahren wegen anderer Versagungsgründe verweigert wurde.
    Wer nach den neuen Regelungen bereits nach drei Jahren Restschuldbefreiung erhält, darf danach erst nach elf Jahren einen erneuten Antrag stellen. In einem solchen weiteren Verfahren dauert es dann fünf Jahre bis zur Restschuldbefreiung.

 

zur Auswahl

5. Regelungen für Verfahren, die bis 30. September 2020 beantragt wurden

 

Für Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden, gelten die bei Antragstellung gültigen Regelungen weiter. Allerdings wurde für Verfahren, die zwischen dem 17. Dezember 2019 und 30.September 2020 beantragt wurden (Antragseingang bei Gericht), verkürzte Laufzeiten bis zur Restschuldbefreiung beschlossen.
Hier die Regelungen im Einzelnen:

Datum der Stellung des Insolvenzantrages: Laufzeit bis zur Restschuldbefreiung:
zwischen dem 17. Dezember 2019 und 16. Januar 2020 fünf Jahre und sieben Monate
zwischen dem 17. Januar 2020 und 16. Februar 2020 fünf Jahre und sechs Monate
zwischen dem 17. Februar 2020 und 16. März 2020 fünf Jahre und fünf Monate
zwischen dem 17. März 2020 und 16. April 2020 fünf Jahre und vier Monate
zwischen dem 17. April 2020 und 16. Mai 2020 fünf Jahre und drei Monate
zwischen dem 17. Mai 2020 und 16. Juni 2020 fünf Jahre und zwei Monate
zwischen dem 17. Juni 2020 und 16. Juli 2020 fünf Jahre und ein Monat
zwischen dem 17. Juli 2020 und 16. August 2020 fünf Jahre
zwischen dem 17. August 2020 und 16. September 2020 vier Jahre und elf Monate
zwischen dem 17. September 2020 und 30. September 2020 vier Jahre und zehn Monate
zur Auswahl

Es gibt bei Verfahren, die bis einschließlich 30. September 2020 beantragt wurden, weiterhin die Möglichkeit vorzeitig Restschuldbefreiung zu beantragen und zwar

  • nach fünf Jahren, wenn die bis dahin entstandenen Verfahrenskosten vollständig bezahlt wurden
  • nach drei Jahren, wenn 35 % der angemeldeten Forderung getilgt und zusätzlich die bis dahin entstandenen Verfahrenskosten bezahlt wurden


Dies können Sie durch die pfändbaren Beträge Ihres Erwerbseinkommens oder freiwillige Zahlungen an den Treuhänder erreichen. In diesen Verfahren müssen in der Wohlverhaltensperiode weder Schenkungen noch Gewinne aus einer Lotterie oder einem Gewinnspiel in voller oder halber Höhe an den Treuhänder herausgeben werden. Dies freiwillig zu tun, könnte jedoch dazu beitragen, dass Sie früher Restschuldbefreiung erhalten.

6. Beratung und Hilfe im Verbraucherinsolvenzverfahren


  • Informieren Sie sich über Ihre konkreten Möglichkeiten für ein Verbraucherinsolvenzverfahren. Prüfen Sie, ob das Verfahren für Sie in Frage kommt und welche Gründe es geben könnte, die einer Schuldenbefreiung im Wege stehen.
  • Auskünfte über das Verfahren erhalten Sie beim Insolvenzgericht.
  • Beratung und Hilfe erhalten Sie bei der Schuldnerberatung und bei Rechtsanwälten. Nehmen sie kompetente Beratung und Unterstützung in Anspruch. Es ist Ihr gutes Recht.
  • Anerkannte Schuldnerberatungsstellen in Trägerschaft der Städte und Landkreise, der Kirchen und von Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, z.B. Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie beraten Sie kostenlos.
  • Wenn Sie rechtliche Beratung und Hilfe von Rechtsanwälten in Anspruch nehmen möchten, erkundigen Sie sich bei der Rechtsanwaltskammer, beim Anwaltsverein oder bei der Schuldnerberatung nach geeigneten Anwälten, die sich im Verbraucherinsolvenzverfahren auskennen. Klären Sie, ob der Anwalt bereit ist, Sie bei der außergerichtlichen Schuldenbereinigung im Rahmen der Beratungshilfe kostenlos zu beraten und zu vertreten. Klären Sie vorab, wie viel der Anwalt beim Scheitern des Einigungsversuchs für die Erstellung des Insolvenzantrags verlangt und ob Sie in der Lage sind, diese Kosten aufzubringen!

 

zur Auswahl